Das Polytechnikum als Bauplatz 1880–1940

Dr. Sarah M. Schlachetzki

Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spiegelte sich die Erfolgsgeschichte des Zürcher Polytechnikums in der rapiden Expansion seines Gebäudebestands. Es waren die Schüler Gottfried Sempers, die wesentlich an dieser Bauphase beteiligt waren, vor allem Alfred Bluntschli und Georg Lasius. Benjamin Recordon wiederum lieferte die Entwürfe für ein Maschinenlaboratorium und Heizkraftwerk (ab 1895). Auch die frühen Dekaden des 20. Jahrhunderts brachten Umbauten, Erweiterungen, Neubauten. Den grundlegenden Um- und Ausbau des Semper’schen Hauptgebäudes leitete ab 1909 Gustav Gull. Otto Rudolf Salvisberg überformte das Recordon’sche Maschinenlaboratorium und erweiterte es substanziell.

Mit diesen Bauten und anderen wird die ETH als Ort offenbar, an dem sich Baugeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Industriegeschichte kreuzten. Institutionalisierte Wissenschaft und schweizerisches Unternehmertum waren schon in der Frühzeit der Schule eng miteinander verbunden – und sie blieben es. Augenfällig wird dies zum Beispiel an den frühen Laboratorien am Physikgebäude. Bluntschli und Lasius kollaborierten hier mit dem Physiker und Institutsvorsteher Heinrich Weber; Ludwig von Tetmajer (seit 1881 Leiter der Eidgenössischen Festigkeitsprüfungsanstalt) wiederum dienten die Laboratorien als Testfeld für das neue Material Schlackenzement. Auch andere ETH-Professoren nahmen an der Evaluierung oder gar Entwicklung neuer Materialien und Konstruktionsmethoden regen Anteil. Der Ingenieur Wilhelm Ritter legte eine wesentlich neue Berechnungsmethode zur Statik des Systems Hennebique vor (1899). Recordon selbst verwendete es für die Deckenkonstruktionen seines Maschinenlaboratoriums, ebenso wie das System Monier und das System Schürmann. Das System Siegwart besprach er ausführlich in Fachzeitschriften. Robert Maillart schliesslich war nicht nur Alumnus und später Professor für Bauingenieurwesen an der ETH; er entwickelte auch die bekannten unterzugslosen Pilzdecken, die gerade für den Industriebau relevant waren und die er im eigenen Bauunternehmen konsequent vermarktete.

Offensichtlich spielten Patente in dieser Bau- und Wissenschaftsgeschichte der ETH eine zentrale Rolle. Das Teilprojekt beleuchtet die Bedeutung des Patents anhand mehrerer Fallstudien im Zeitraum 1880 bis 1940. Dabei bildet es die oben angesprochene Verknüpfung von Bau- und Architekturgeschichte mit der Wissenschafts- und Industriegeschichte ab – im Grossraum Zürich, aber ebenso als Wissensgeschichte weit darüber hinausweisend.

Dieses Projekt ist Teil des SNF-Projekts «Architektur & Patent. Die Bauten des ETH-Bereichs».